Geleitwort zum Film KindEssenz

von Dr. med. Anna Pirker

Irgendwie ist uns die Ruhe abhanden gekommen im Umgang mit unseren Kindern. Schon die Geburt selbst lassen wir oft nicht in Ruhe geschehen und greifen viel zu stark ein, was Mutter und Kind unnötig belastet. Später stecken wir dann in der «To-Do-Falle» fest und sind gedanklich eher in der Zukunft statt im Hier und Jetzt, also mehr neben unseren Kindern statt mit ihnen zusammen. Es gibt aber gute Gründe, warum die Kindheitsphase bei keinem anderen Lebewesen als dem Menschen so lange dauert und so viel an intensiver Zweisamkeit bedarf. Unsere Gehirnentwicklung ist bis zur gesamten Entfaltung der in uns angelegten Möglichkeiten derart komplex, dass es dafür eben viel Zeit braucht und sich das auch nicht beschleunigen lässt wie es uns von einzelnen Bildungsexperten (vielleicht sogar in guter Absicht) weiszumachen versucht wird. Unsere kleinen Kinder brauchen kein Früh-Englisch oder digitale Lernprogramme. Was sie brauchen sind täglich stattfindender emotionaler Austausch mit vertrauten Menschen, die verlässlich verfügbar sind und nicht dauernd für das Kind unvorhersehbar abgelenkt werden. Wenn wir durch Störfaktoren wie bspw. Social Media immer wieder aus dem emotionalen Kontakt zu unseren Kindern gerissen werden, werden diese in Momenten wo sie uns bräuchten allein gelassen. Gehören solche Erfahrungen zum Alltag eines Kleinkindes, so kann dadurch leider die gesunde Entwicklung beeinträchtigt werden. Das Kind lernt seine eigenen Gefühle weniger gut zu erkennen und mit ihnen umzugehen. Für den später erfolgenden Wissenserwerb sind dies sehr ungünstige Voraussetzungen. Lassen wir uns doch ein auf diese von unseren Kindern mitgebrachte Entschleunigung unseres Alltags und versuchen so, uns von dieser KindEssenz berühren zu lassen. Eine Frau, die diese KindEssenz so trefflich wie kaum jemand anderes auf den Punkt gebracht hat, war Rachel Carson in ihrem Buch Magie des Staunens:

«Die Welt eines Kindes ist frisch und neu und schön, voller Wunder und Begeisterung. […] Soll ein Kind seinen angeborenen Sinn für das Staunen […] lebendig halten, braucht es die Gesellschaft wenigstens eines Erwachsenen, der seine Freude und Begeisterung teilt und der mit dem Kind das Geheimnis der Welt, in der wir leben, neu entdeckt. [...] Ich glaube fest daran, dass es nicht halb so wichtig ist zu wissen wie zu fühlen – das gilt für das Kind wie für die Eltern, die es anleiten wollen. Wenn Fakten Samen sind, aus denen später Wissen und Weisheit wachsen, dann sind Gefühle und Sinneseindrücke der Nährboden, in dem die Samen reifen müssen. Die frühen Kindheitsjahre sind die Zeit, den Boden zu bereiten.»

Nehmen wir uns die Zeit für diese wichtigste Lebensphase und leben wir sie gemeinsam mit unseren Kindern – so werden wir alle reich beschenkt werden von der KindEssenz.

Familie mit Kindern